Der Weg zur sicheren Zöliakie-Diagnose

 

Als ich meine Diagnose erhielt, Anfang der 80er Jahre, war Zöliakie niemandem ein Begriff. Doch inzwischen kennen viele die Krankheit und ich habe auch den Eindruck, dass die Zahl der Diagnostizierten steigt. Nimmt Zöliakie zu?

Ja, aber weil man mehr darauf achtet. Es gibt einfach ein deutlich höheres Bewusstsein bei Ärzten und Patienten, bei vielen Symptomen wird auch an Zöliakie gedacht und getestet. Damit ist die Dunkelziffer nicht mehr so hoch. Wie groß der Anteil der Betroffenen tatsächlich ist, lässt sich aber schwer sagen, da die Zahlen dazu schwanken. Aber die Rate der Zöliakie-Erkrankten wird wohl bei 1:200 liegen. Wie hoch die Dunkelziffer ist, lässt sich schwer abschätzen. Dass es sie aber gibt, weiß man von Studien, bei denen Menschen getestet wurden. Dabei fand man immer wieder Betroffene, die davon nichts wussten und auch nicht diagnostiziert waren.

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In diesem Zusammenhang werden verschiedene Begriffe genannt: Zöliakie, Unverträglichkeit, Allergie, Sensitivität – was ist was und was gibt es wirklich?

Es gibt neben der Zöliakie noch die nicht-Zöliakie Glutensensivitiät, die durch Bluttest oder Biopsie nicht nachweisbar ist. Das sind Patienten, die mit Reizdarm-Symptomen kommen und dann versucht man überverschiedene Diätformen eine Besserung zu erreichen. Und viele sprechen da auf eine glutenfreie Ernährung gut an. Das ist aber etwas komplett anderes als Zöliakie, wo die Diät ja streng eingehalten werden muss um eine Zottenatrophie zu verhindern. Bei Glutensensitivität geht es darum, das subjektive Wohlbefinden zu verbessern, weshalb die Diät auch nicht ganz so streng eingehalten werden muss.

Mit welchen Beschwerden kommen die Menschen zu Ihnen?

Durchfall, Blähungen und Gewichtsverlust sind sozusagen die klassischen Symptome. Aber es gibt auch viele, die nicht so klare und starke Symptome haben, zum Beispiel nur ab und zu Blähungen. Viele Patienten haben auch einen Eisenmangel, weil der Darm Eisen nicht mehr resorbiert. Die Palette kann also von einem Eisenmangel bis hin zu Zuständen, die Immunsupressiva notwendig machen, reichen.

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Kontrolle einmal jährlich

 

Wie gelangt man zu einer eindeutigen, gesicherten Zöliakie-Diagnose?

Goldstandard ist die Biopsie, also die Entnahme von histologischen Proben aus dem Dünndarm im Rahmen einer Magenspiegelung. Parallel wird das Blut auf tTG-Antikörper untersucht. Beim ersten Mal werden die IgA auch dazu gemessen, weil es sein kann, dass man von Haus aus einen IgA-Mangel hat und dann das Ergebnis der Untersuchung falsch negativ wäre. Es gibt aber auch unklare Fälle, also dass ein Patient Zottenatrophie hat, aber die tTG negativ sind. Dann ist eine Gen-Untersuchung hilfreich. Wichtig für die weitere Verlaufskontrolle ist es aber, einen tTG-Ausgangswert zu haben. Und ganz wichtig für die Diagnose: Nicht schon vor den Untersuchungen auf Gluten verzichten! Das kann die Diagnose verschleiern. Und eine Erkrankung wie Zöliakie braucht eine klare Diagnose. Also sollte man zumindest drei bis sechs Monate wirklich glutenhaltig essen. Viele – vor allem wenn es Zöliakie-Betroffene in der Familie gibt – ernähren sich dann schon glutenreduziert. Das erschwert eine eindeutige Diagnose leider.

Wie oft sollen Zöliakie-Patienten zur tTG-Kontrolle?

Ich empfehle einmal jährlich, das ganze Leben lang. Es ist ja nur eine Blutabnahme, die auch der Hausarzt durchführen kann. Diese Kontrollen sind wichtig, auch für die Patienten selbst für ihre eigene Diätkontrolle. Es gibt Fälle, bei denen sich die Werte nicht normalisieren. Der Grund sind praktisch immer Diätfehler, die die Diätologen dann in detektivischer Kleinstarbeit herausfinden müssen. Meist wird etwas gegessen, das schmeckt, aber man hat nie einen Blick auf die Inhaltsstoffe geworfen.

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Unter welchen Umständen raten Sie zum Gentest?

Wie gesagt, wenn Histologie und Labor nicht übereinstimmen – also das Ergebnis der Biopsie und das Ergebnis der Blutuntersuchung diskrepant sind und damit die Diagnose unklar wäre. Nur zu testen, weil jemand aus der Familie betroffen ist, halte ich nicht für sinnvoll. Ein positiver Gentest bedeutet ja nicht, dass man Zöliakie tatsächlich bekommt und sie auch ausbricht. Er bedeutet nur, dass man die genetische Voraussetzung für Zöliakie hat. Meine Empfehlung ist eher, dass man in Familien mit einer betroffenen Person bei den Kindern im jungen Erwachsenenalter die tTG-Antikörper bestimmen lässt – wenn sich nicht ohnehin schon vorher an anderen Symptomen gezeigt hat, dass das Kind möglicherweise Zöliakie hat.

Wie reagieren Patienten, wenn sie erfahren, dass sie Zöliakie haben?

Es ist natürlich keine angenehme Nachricht. Aber oft leben Patienten schon sehr lange mit ihren Beschwerden. Wenn sie dann auf glutenfreie Ernährung umsteigen, höre ich oft bei der ersten Kontrolle nach einem halben Jahr: „Ich wusste gar nicht, dass es mir so gut gehen kann!“ Sie berichten auch von einem regelrechten Energieschub. Dass es so einer so deutlichen Verbesserung der Lebensqualität kommt, erleichtert glücklicherweise auch die Adhärenz zur Diät. Grundsätzlich kann man natürlich sagen, je jünger man bei der Diagnose ist, desto besser lernt man damit umzugehen. Ich rate auch allen, sich mit der Arge Zöliakie in Verbindung zu setzen, dort erhält man alle wichtigen Informationen. Denn Zöliakie heißt lebenslange Diät, und auch nicht nur ein bisschen, sondern 100 Prozent.

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Wie alt sind Ihre Patienten?

Hauptsächlich kommen junge Erwachsene zu uns, aber nach oben hin gibt es keine Grenze. Wir hatten auch schon 80-jährige, die mit Zöliakie diagnostiziert wurden.

Warum vor allem junge Erwachsene?

In der Pubertät spielt sich sehr viel im Körper ab, vieles verändert sich. Und es ist auch so, dass viele Krankheiten – zum Beispiel Neurodermitis – sich in dieser Lebensphase auswachsen können. Andere treten zutage, wie eben zum Beispiel die Zöliakie.

Bei welchen Symptomen raten Sie zu einer Untersuchung?

Bei unklaren Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen oder auch Eisenmangel sollte eine Zöliakie zumindest einmal ausgeschlossen werden.

Vielen Dank für das informative Gespräch!

 

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