Die heikle Frage der Kontamination mit Gluten

Es ist eines der am hitzigsten diskutierten Themen in der Community der Zöliakie-Betroffenen: Die Frage der Kontamination mit Gluten. Während einige sehr leichtfertig damit umzugehen scheinen, sind andere nahezu in „Krümel“-Panik. Ein gesundes Mittelmaß scheint es nicht zu geben, eine Diskussion darüber, die auch Zwischentöne zulässt, auch nicht. Dass die offiziellen Zöliakie-Gesellschaften in Österreich und in Deutschland das Thema unterschiedlich zu sehen scheinen, macht das Ganze auch nicht einfacher.

Aber wie sieht es denn nun mit den Fakten aus? Leider spärlich. Bisher galt der ominöse Richtwert von weniger als 20 ppm. ppm steht für „parts per million“, also ein Promille von einem Promille. Das heißt, wenn in einer Scheibe Brot 20 Promille von einem Promille Gluten ist, wird davon ausgegangen, dass dies für Zöliakie-Betroffene verträglich ist. Klingt wenig, ist es auch. Oder, um es noch einmal in eine andere Relation zu setzen: 20 Milligram pro einem Kilogramm – zum Beispiel Brot. Mit bloßem Auge nicht erkennbar, mit der Küchenwage nicht feststellbar, so klein.

Das bedeutet natürlich umgekehrt, dass man de facto keine Gluten in dem jeweiligen Produkt vorfinden sollte. Ansonsten kann es laut der gängigen und auch standardisierten Definition nicht als glutenfrei bezeichnet werden.

Heißt das nun, man muss bei der Diagnose Zöliakie seine Küche neu machen? Alle Geräte tauschen? Das Besteck niemals in Berührung mit glutenhältigen Produkten kommen lassen? Oder reicht abspülen oder ein Waschgang in der Geschirrspülmaschine? Wie gesagt, diese Fragen werden hitzig diskutiert – meist eher basierend auf Annahmen und Erfahrungswerte. Diese müssen keinesfalls falsch sein, aber besser sind Fakten, da sind wir uns wohl einig.

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Studie über die Kontamination mit Gluten

Tja, abschließend gültige Fakten, die diese Fragen endgültig klären, habe ich nicht für euch. Aber eine Information, die vielleicht ein klein wenig Licht ins Dunkel bringt und so manch einen, der an Kontaminations-Angst leidet, etwas beruhigen kann.

In der Dezember-Ausgabe der Zöliakie Aktuell (Zeitschrift der österreichischen Arge Zöliakie) wurde über eine Studie berichtet, die in der „Gastroenterology 2020“ veröffentlicht wurde. Sechs Wissenschafter und Forscher des amerikanischen Zöliakie Programms des Nationalen Gesundheitswesens für Kinder in Washington und vom Harvard Zöliakie Programm der Kinderklinik Bosten haben eine Studie durchgeführt, die sich genau mit der Frage der Kontamination beschäftigt. Ziel der Studie war es, herauszufinden wie, ob und in welchem Ausmaß Gluten übertragen werden, wenn glutenfreie Lebensmittel zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln zubereitet werden. Außerdem wurde die Wirksamkeit verschiedener Reinigungsmethoden von Küchengeräten untersucht. Richtwert war eine Glutenbelastung unter 20 ppm.

Die Forscher haben drei, sehr unterschiedliche und sehr lebensnahe Szenarien untersucht: Das Kochen von Paste, die Benützung eines Toasters und das Schneiden eines Cupcakes. Die Ergebnisse sind sehr überraschend.

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Das Kochen der Pasta wurde auf verschiedene Weise gemacht: Seperat, im gleichen Topf nach dem Spülen, im gleichen Wasser, im gleichen Wasser und danach mit kaltem Leitungswasser gespült. Seperat gab es natürlich keine Probleme, aber auch im gleichen Topf, nachdem dieser nur ausgespült wurde, waren Gluten oberhalb des Grenzwertes nicht nachweisbar. Untersucht wurde auch ein richtiges Auswaschen mit Spülmittel und schrubben – auch hier ohne nachweisbare Kontamination. Wenig überraschend war die glutenfreie Pasta, die im gleichen Wasser wie die glutenhältige gekocht worden war, natürlich kontaminiert. Die Werte lagen bei 33,9 bis 115,7 ppm. Ich vermute aber, auf die Idee das zu machen würden ohnehin nur wenige Zölis kommen… Interessant aber, dass die im gleichen Wasser gekochten Nudeln anschließend mit Leitungswasser abgespült wurden und sich so der Glutengehalt wieder auf unter 20 ppm reduziert hat. Gemessen wurde bei den beiden entsprechenden Proben 5,1 und 17,5 ppm Gluten.

Das zweite Beispiel war Brot zu toasten. Dafür wurden vorher glutenhältiges Brot im Toaster getostet, danach glutenfreies Brot. Die Toaster wurden nicht gereinigt, es gab sogar sichtbare glutenhältige Krümel, einer der benutzten Toaster stand in einer Krankenhaus-Cafeteria und wurde wohl oft auch mit glutenhältigem Brot benutzt. Und auch dieses Ergebnis, sehr überraschend: Die Proben der glutenfreien Brote hatten lediglich Werte von 5,1 bis 8,3 ppm Gluten. Also wieder unter dem Grenzwert.

Drittes untersuchtes Szenario war das Schneiden von Cupcakes. Glutenhältige Cupcakes wurden mit einem Messer durchschnitten, das danach für glutenfreie Cupcakes verwendet wurde. Das Messer wurde zwischendurch einmal mit Spülmittel und Wasser gereinigt, einmal unter fließendem Wasser abgespült und einmal mit einem anitbakteriellen Handtuch abgewischt. Zwar gab es bei den 30 getesteten glutenfreien Cupcakes eine Gluten-Übertragung, aber nur bei zweien wurde ein Glutengehalt von mehr als 20 ppm auf.

Weniger gefährlich als angenommen?

Die Mediziner kamen zu dem Schluss, dass bei einigen Tätigkeiten in der Küche das Risiko eines Kreuzkontaktes mit Gluten möglicherweise geringer ist, als allgemein angenommen. Sie verweisen aber selbst auf die geringe Anzahl der Proben und regen an, zukünftig größere Studien durchzuführen, die sich mit häuslicher und gewerblicher Küchenausstattung, einem breiteren Spektrum von Szenarien, Kochflächen und Arten von Lebensmitteln befassen sollten. Nur so sein eine evidenzbasierte Empfehlung für die besten Praktiken der glutenfreien Lebensmittelzubereitung möglich.

„Der Grund, warum wir diese Studie durchgeführt haben, waren die fehlenden empirischen Daten zu der Frage, wie glutenfreies Essen sicher zubereitet werden kann. Wir waren von den Resultaten selbst überrascht“, schrieb mir Jocelyn Silvester, eine der Studienautorinnen auf meine Nachfrage per Email.

Also nicht nur ich, sondern auch die Forscher selbst waren überrascht vom Ergebnis.
Hier geht es zur Original-Veröffentlichung der Studie: Gastrojournal

Was sagt ihr dazu? Habt ihr Angst vor Kontamination in einem gemischten Haushalt? Wie geht ihr damit um? Ich freue mich über eure Kommentare!

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