Zeitreise: Meine Kindheit mit Zöliakie

Manchmal fühle ich mich in Sachen Zöliakie wie aus der Zeit gefallen. Vor allem wenn ich lese, was Erwachsene mit frischer Diagnose oder Eltern von kürzlich diagnostizierten Kindern beschäftigt. Nicht weil ich etwas für falsch, zu übertrieben oder zu sorglos halte. Nein, sondern weil es so ganz anders als meine Geschichte mit Zöliakie ist.

Ich wurde als Kleinkind diagnostiziert. Und Kleinkind, das war ich im Jahr 1983. Zöliakie, glutenfrei – das waren zu dieser Zeit noch nicht einmal Fremdworte. Entsprechend lang dauerte es, bis die Diagnose gefunden war. Die Symptome fingen an, als ich zu essen begann. Also ganz normal zu essen, wie man auch auf dem Foto sieht. Ich und ein Semmerl – jetzt unvorstellbar. Es waren die typischen Symptome: Durchfall und Erbrechen. Dazu Übellaunigkeit und Gedeihstörungen. Heutzutage würde jeder Kinderarzt sofort auf Zöliakie tippen. Damals hieß es Bauchgrippe. Immer und immer wieder.

Ich erinnere mich an diese Zeit nur sehr bruchstückhaft. Dass es mir schlecht ging, habe ich vergessen. Ich erinnere mich aber schon, dass ich oft im Bett lag und Soletti und Cola bekam. Eben das, was damals als „gut gegen Bauchgrippe“ galt. Und was natürlich pures Gift für mich war.

In der Kinderklinik wurde schließlich der Verdacht von einer Ärztin geäußert und ich musste zur Biopsie ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Da war ich wohl so zweieinhalb, drei Jahre alt. Ich erinnere mich an den Krankenhausaufenthalt, nicht aber an die Untersuchung an sich. Diese wurde damals noch bei Bewusstsein und mittels Schlauch durch den Hals durchgeführt (um ein Stück Darm herauszuzwicken). Meine Mutter erzählt heute noch, dass ich einen ganz blauen Hals hatte. Ich habe wohl auch ziemlich viel geschrien.

Die Biopsie war eindeutig, kein Zweifel: Zöliakie. Ab dann ging es los mit der glutenfreien Ernährung. Die war logistisch eine Mammutaufgabe. Es gab eine Bäckerei, die hatte glutenfreies Mehl im Angebot. Eine andere, in Wien, auch Brot und Nudeln. Aber zu absurden Preisen. Und tatsächlich schrecklich. Mich hat das nicht gestört. Mein Lieblingsessen war trotzdem Spagetthi. Auch wenn auf meinem Teller kleine weißliche Schnipsel lagen, die nach nicht wirklich viel schmeckten.

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Brot hat meine Mutter selbst gebacken (Mehr dazu hier: Glutenfreies Brot selbst backen). Ab und zu wurde welches gekauft, vor allem wenn ich zum Beispiel auf Schullandwoche fuhr. Bei diesen Gelegenheiten nahm ich immer haufenweise Zeug mit. Das war die sicherste Lösung. Die Küchen in den Heimen oder so, wurden natürlich immer informiert. Und manchmal gab es wirklich leckere Dinge. Ganz oft auch nicht. Dann eben Kartoffel.

Kontamination ist für viele Zölis ein sehr wichtiges Thema. In meinen Kindertagen war das Problem nicht einmal bekannt. Natürlich wurde alles mit den gleichen Geräten gekocht, lag direkt nebeneinander oder aufeinander. Das hatte nichts mit Unachtsamkeit oder Gedankenlosigkeit zu tun, es gab dieses umfangreiche Wissen über Zöliakie einfach nicht.

Was es schon gab, waren die jährlichen Blutkontrollen. Auch Wachstum und Gewicht wurden immer kontrolliert. Aber es gab keine Probleme, auch die Blutwerte waren immer in Ordnung.

Wie ging es mir in dieser Zeit? Manchmal denke ich, ich war wohl schon als Kind sehr pragmatisch. Ich durfte viele Dinge nicht essen, wurde auch ständig darauf hingewiesen und hatte immer eigenartiges eigenes Essen. Aber wenn ich zurückdenke, ist da nicht das Gefühl, ich hätte weiß Gott wie gelitten. Es ist mehr ein Gefühl von: War einfach so. War nicht lustig. War nervig. War auch nicht das, über das ich definiert werden wollte. Aber es war einfach so.

Es war auch eine andere Zeit, um meine Krankheit wurde kein großes Aufsehen gemacht. Mit der glutenfreien Ernährung ging es mir gut und dass diese klappte war schon sehr bald in meiner Eigenverantwortung. Mein Jausenbrot schmierte ich mir selbst, Restaurantbesuche und Urlaube waren selten. Und wenn es mal in der Schule ein Brotbacken oder Kekse oder Kuchen von einem anderen Kind gab, dann habe ich einfach nichts gegessen. Selbstmitleid gab es sicher dann und wann. Aber da ich wusste, was mir blühte wenn ich sündige, war es keine Option, es mal „draufankommen“ zu lassen.

Das blieb aber nicht immer so. In meiner Pubertät änderte sich das Verhältnis zu meiner Krankheit. Darüber werde ich aber einen extra Blogpost machen.

Seit wann habt ihr eure Diagnose und wie geht es euch damit? Ich freue mich auf eure Kommentare!

4 thoughts on “Zeitreise: Meine Kindheit mit Zöliakie

  1. Hallo. Ich würde mich gern mal mit dir in Kontakt treten . Denn ich habe es so ähnlich durch machen müssen 1985. Und och war erst ein Jahr oder so. Und endlich jemanden mit der fast gleichen Geschichte zu hören ist der hammer. Nur du hattest glück und die hatten bei dir mehr Ahnung als bei mir. Bei mir wurde irgendwann gesagt ich bin geheilt.

  2. Liebe Barbara,

    hab soeben deine Geschichte gelesen – bei mir wurde 1971 (damals nicht ganz 2 Jahre alt) Zöliakie zufällig „entdeckt“ (vorher diagnoszierte man Typhus:). Damals gab es in keinem Geschäft glutenfreies Brot usw. zu kaufen. Meine Mutter bezog von einem Bauern getrockneten Mais, den sie in der alten Kaffeemühle mahlte. Daraus wurden so eine Art Fladen gebacken – das war mein Brot. Bei der heutigen Menge an glutenfreien Produkten („Gott sei Dank“) , kann man sich das gar nicht mehr vorstellen:).
    Finde deine Webseite genial und wünsch dir alles Liebe!

    1. Liebe Gabi,
      Vielen Dank für deine nette Nachricht!
      Deine Mutter war aber toll kreativ – schön! Auch wenn ich mir vorstellen kann, wie das geschmeckt hat…
      Dass du damals schon die richtige Diagnose bekommen hast, ist beeindruckend.
      Dir auch alles Liebe!

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