Mitleid, nein danke!

Es gibt einen Satz, der mich auf die Palme bringt. Und das schon mein ganzes Leben lang.

„Du darfst das ja leider nicht essen“

Gesagt von jemandem, der gerade Essen auf den Tisch stellt, über das wir zu 99 Prozent schon vorher gesprochen haben, weil es eben nicht glutenfrei ist. Und ich gefühlte 1.000 Mal gesagt habe, dass mir das nichts ausmacht. Trotzdem, jedes Mal wieder. Es ist scheinbar nicht möglich, etwas auf einen Tisch, an dem ein Coeli sitzt, zu stellen, ohne diesen halb entschuldigenden, halb erklärenden Satz zu sagen. Und jedes Mal ärgere ich mich.

 

Das mag unfair sein. Denn dieser Satz ist nie böse gemeint. Ganz im Gegenteil. Aber mich lässt er einfach ratlos zurück. Was soll ich darauf sagen? Zum 1001. Mal: „Das macht ja nichts.“ Denn entgegen einer ziemlich verbreiteten Meinung verhungere ich nicht. Und ich bin inzwischen erwachsen. Als Kind war das viel schlimmer für mich. Ich erinnere mich an einem Besuch bei der Schwägerin meiner Großmutter, ich war vielleicht sieben oder acht. Diese Großtante war berühmt für ihre Torten. Und der Tisch bog sich auch wirklich, eine Torte schöner als die andere. „Für dich hab ich jetzt leider nichts. Du darfst das ja nicht essen.“ Äh, ja. Nicht lustig. Aber auch nicht dramatisch. Denn auch in dieser Situation bin ich nicht verhungert. Ich habe dann – wie immer – ein Tafel Schokolade bekommen.

 Die Suche nach Essbarem

Wirklich nervig wird es ja dann, wenn man nach der Feststellung, dass ich das ja nicht essen darf, 100 Mal gefragt werde, ob ich denn etwas anderes möchte. Und ebenfalls 100 Mal sagen muss: „Nein, danke.“ Das wird aber ignoriert und es beginnt die hektische Suche nach Essbarem für mich. Wieder: Nett gemeint. Ja. Aber sorry, geht trotzdem gar nicht. Ich kann es vielleicht schlecht erklären, was mich wirklich so sehr daran stört. Vielleicht ist es dieses Gefühl, das wiedereinmal der Scheinwerfer auf meine Krankheit gerichtet ist. Und dass sich dann alle genötigt fühlen, in Mitleid auszubrechen? Keine Ahnung. Ich weiß nur, es nervt.
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Die absolute Steigerungsstufe wird dann erreicht, wenn aus diesem Mitleid heraus extra etwas gekocht oder gebacken wird, das ich widerlich finde. Um nicht undankbar zu sein, esse ich es dann. Obwohl es mir nicht schmeckt und obwohl ich gar keinen Kuchen (denn meist geht es darum) wollte. Ich weiß, das klingt unfassbar undankbar. Aber dieses mitleidige Überfürsorgliche ist für mich das Schlimmste.
Und andererseits freue ich mich wie eine kleine Schneekönigin, wenn jemand ganz unverhofft an mich gedacht hat. Wenn ich wo eingeladen wurde, damit rechne nichts zu essen und dann mit selbstgebackenem Brot überrascht werde. Rational ist das natürlich nicht. Aber wer ist das schon.

10 thoughts on “Mitleid, nein danke!

  1. In gewisser Weise kommt mir das bekannt vor. Bei mir ist vor Jahren eine Kasein-Unverträglichkeit festgestellt worden. das bedeutet dass ich Milchprodukte und auch einige pflanzliche Produkte mit ähnlichen Eiweißstoffen weitestgehend meiden musste. Essen gehen mit Freunden war da schon oft eine Qual, weil eigentlich ja fast überall Milch drin ist, selbst als Klebemittel in Wurst. Am Anfang hat es mich noch sehr genervt, aber nach und nach fanden wir zusammen ganz kreative Lösungen und Ideen. Daher fand ich mich in Deinem Artikel doch etwas wieder. #blokoso

    1. Lieber Uwe, vielen Dank für deine Rückmeldung! Interessant und irgendwie auch logisch, dass diese Probleme alle mit Unverträglichkeiten betreffen! Lg Barbara

  2. Kann Dich verstehen, das ist wirklich schwierig – auch wenn es die Leute nur gut meinen. Ein Freund von uns hat auch Zöliakie und man hat leider manchmal automatisch den Reflex etwas „Falsches“ zu sagen. Persönlich finde ich das glutenfreie Kochen oder Backen auch gar nicht so einfach. Es geht ja nicht nur um die Zutaten, sondern auch darum, in der Küche nicht etwas aus Versehen zu „kontaminieren“. Aber insgesamt gibt es zum Glück ja immer mehr Produkte und auch Restaurants, die diese Unverträglichkeit berücksichtigen. #blokoso
    Viele Grüße
    Katharina

    1. Hallo Katharina!
      Ja, stimmt, glutenfreies Kochen und Backen bedeutet nicht nur einfach das Mehl auszutauschen!
      Ich bin auch niemandem böse, aber manchmal nervt es einfach, dass bei jedem Essen automatisch meine Krankheit Thema ist.
      Lg
      Barbara

  3. Hallo Barbara,
    da der Sohn von guten Freunden Zöliakie hat und wir uns in den letzten Wochen oft zum Essen getroffen haben, musste ich mich sehr viel intensiver mit dem glutenfreien kochen beschäftigen. So kompliziert fand ich das eigendlich nicht. Ich habe ein bischen anders geplant, keine glutenhaltigen Zutaten eingekauft und frisch gekocht. Das Matcha-Tiramisu habe ich mit glutenfreien Keksen zubereitet und Sushi sind auch kein Problem. Ich habe mich gefreut, dass wir alle gemeinsam Essen konnten.
    Aber anscheinend haben andere Eltern große Angst einen Fehler zu machen. Daher wird er manchmal nicht zu Kindergeburtstagen eingeladen, dass finde ich sehr schade. Dabei bekäme er in dem Fall einfach von seiner Mutter eine Lunchbox mitgeschickt. Und Niko kann inzwischen sehr gut unterscheiden, was er essen kann und was nicht.

    1. Liebe Katja,
      das finde ich ja toll, dass du für deine Zöliakie-betroffenen Gäste so tolle Menüs gezaubert hast!
      Ja, du hast recht, es gibt große Unsicherheit, was wirklich schade ist. Vor allem Kinder wissen und verstehen sehr bald, was sie essen dürfen und was nicht!
      LG
      Barbara

  4. Hi Barbara,

    ich denke, dieses „Übervorsorgliche“ geht jedem von uns hin und wieder mal auf den Geist – sei es bei Zoliäkie, bei persönlichen Enttäuschungen oder bei anderen Krankheiten. Da es oftmals aus Liebe, Zuneigung oder Symphatie geschieht, ist es schwierig, eine gute Reaktion zu finden.

    Hast Du denn schon mal offen angesprochen, WIE sehr es Dir auf den Keks geht und Dich gar belastet?
    Mir hilft es bei ähnlichen Gelegenheiten, einfach zu sagen: „Bitte nicht noch einmal fragen/sagen. Meine Antwort wird sich nicht ändern.“

    Ein lieber fussiger Gruss, Jana
    #BLOKOSO

    1. Hallo Jana, vielen Dank für deine Gedanken! Ich weiß, dass es gut gemeint ist, aber genau deshalb fällt es mir noch schwerer dann auch wirklich zu sagen, dass es nervt. Und wie gesagt, andererseits freut man sich dann wieder. Es ist wohl eher ein Thema meiner Gefühlswelt und nichts, was ich wirklich in die konkrete Situation tragen möchte.
      LG
      Barbara

  5. Ich denke, ich würde gucken, dass ich zumindest ein (leckeres) Gericht koche, das man mit der entsprechenden Unverträglichkeit essen kann. Es ist doch nett, auf anderen zuzugehen 🙂

    Ich find’s gut, dass du mit einer positiven Einstellung an das Thema herangehst und von anderen nicht verlangst, dass sie sich umstellen.

    #BloKoSo

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