„Glutenfrei ist kein Trend, sondern lebensnotwendig“

Die erste Zeit nach der Zöliakie-Diagnose war für Katie aus Heidelberg alles andere als einfach. Was ihr besonders schwergefallen ist und wie ihr Umfeld auf die Diagnose reagierte, erzählt die Bloggerin, die auf >www.gluten-frei.net schreibt, im Interview.

 

Barbara: Wann und wie wurde Zöliakie bei Dir diagnostiziert?
Katie: Kurz nach meinem Abitur in 2006 hatte ich es satt immer wieder Bauchschmerzen (verbunden mit einem ewigen Wechselspiel aus Diarrhoe/Verstopfung) zu bekommen und bin zum Arzt gegangen. Mein Hausarzt hat mich dann nach einem Bluttest und Stuhlproben zu einem Gastroenterologen zur Magenspielgerung geschickt, der das Rätsel lösen konnte. Zöliakie.

 

War dir Krankheit vorher schon ein Begriff?
Nein, Zöliakie und Gluten waren für mich totale Fremdbegriffe.

 

Was war dein erster Gedanken nach der Diagnose?
„Oh Schreck. Wie geht es jetzt nur weiter? Gluten scheint in so vielen leckeren Produkten enthalten zu sein.“

 

Wie ging es dir mit der Ernährungsumstellung?
Anfangs sehr schwer. Es gibt so viel zu beachten: von der Küchenumstellung bis hin zum täglichen Einkauf und ich war gerade erst von zuhause ausgezogen, konnte gerade mal Nudeln kochen und musste dann auch noch eine glutenfreie Diät einhalten? Hilfe! Die ersten Wochen waren unglaublich monoton: man kennt kaum Produkte/Rezepte und die Verzweiflung/Hunger/Aggressionen steigen von Tag zu Tag. In den Anfangstagen habe ich zugegeben auch noch sehr, sehr oft gesündigt weil die Routine noch gefehlt hat.

 

Was fehlt dir am meisten, von dem es auch kein glutenfreies Ersatzprodukt gibt?
Ganz klar, Laugengebäck. Ich warte sehnsüchtig auf den Tag an dem es glutenfreie Brezn gibt die schmecken wie das Original.

 

Wie hat dein Umfeld die Diagnose aufgenommen?
Anfang eher skeptisch da das Thema Zöliakie und Glutenunverträglichkeit einfach noch nicht so verbreitet war wie heute. Da kamen dann Aussagen wie: „Wie? Du isst jetzt kein Brot und keine Nudeln mehr? Was isst du dann jetzt?“ oder mein absoluter Favorit: „Wie schrecklich, das könnte ich nicht.“ Viele verstehen nicht, dass eine glutenfreie Ernährung bei einem Zöli keine freiwillige Angelegenheit ist sondern ein Muss. Wir machen das nicht zum Spaß, sondern unserer Gesundheit und Wohlbefinden zuliebe.

 

Wirst du verstanden oder manchmal auch nicht ganz ernst genommen?
Mittlerweile fühle ich mich total verstanden weil immer mehr Menschen zumindest den Begriff „glutenfrei“ schonmal gehört oder gelesen haben.
In Restaurants fühle ich mich gelegentlich noch unverstanden wenn ich merke, der Kellner ist genervt von meinen Extrawünschen und Bitten nachzufragen, ob das Gericht was ich mir ausgesucht habe auch wirklich glutenfrei ist.
Was mich allerdings immer noch sehr nervt sind die Artikel, die gelegentlich auftauchen die glutenfrei mit einem Trend gleichsetzen. Es ist kein Trend, sondern lebensnotwendig. Ich wünsche mir, dass sich das über die nächsten Jahre endlich ändert.

 

Wie waren deine ersten glutenfreien Backversuche?
Nicht gut. 🙁 Es waren nicht nur meine ersten glutenfreien Backversuche, sondern auch meine ersten Backversuche ohne Fertigbackmischung.
Die glutenfreien Rezepte, die ich dann in meiner Anfangszeit gefunden habe, waren entweder optisch gar nicht schön oder die ewig langen Zutatenlisten haben mich direkt abgeschreckt.
Wenn es für mich eine Qual ist leckere und einfache glutenfreie Rezepte zu finden, haben andere sicher das gleiche Problem. Meinen Frust habe ich dann in glutenfreies Experimentieren umgewandelt: es muss möglich sein mit WENIG Zutaten, OHNE Gluten, LECKER zu Kochen. So ist mein Blog entstanden!

 

Welchen ultimativen Tipp hast du für einen Neuling?
Geduld. Aller Anfang ist schwer und die bisher gewohnte Ernährung umzustellen passiert nicht von heute auf morgen.
Außerdem sollte jeder Betroffene verstehen was Zöliakie ist und was es bedeutet. Das hat mir ungemein geholfen zu akzeptieren. warum ich mich so ernähren muss und warum alles andere nur böse enden kann.

 

Danke für das tolle Gespräch!

 

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